Freitag, 24. Februar 2012

Der pessimistische Leviathan

ACHTUNG: Es ist empfohlen diesen Post nur dann zu lesen, wenn man den Film oder das Buch Clockwork Orange kennt!!!

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich meine große Bildungslücke gestehen werde. Abgesehen von Sport, Botanik, Zoologie und Autos habe ich riesige Lücken in der Filmgeschichte. Die Filme, die ich gesehen habe, kann ich an einem Kamm abzählen und meistens sind diese Hollywood rom-coms gewesen. So habe ich gestern Abend beschlossen, diese Bildungslücke etwas zu verkleinern und mir zum ersten Mal den Film Clockwork Orange. Abgesehen davon, dass ich begeistert, fasziniert und gleichzeitig schockiert war, beschäftigte mich der Film bis tief in die Nacht hinein, bis ich verstand wieso: Es gibt in diesem Film keinen Ausweg, kein Richtig und kein Falsch. 

Der Anfang des Films zeigt den jungen Engländer Alex und dessen Gang, die mit Genuss und Erregung an anderen Menschen schwere Gewalt ausüben. Als Alex dann von seiner Gang im Stich gelassen, festgenommen und zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt wird, beugt er sich dem System bis er für ein Experiment zugelassen wird, welches Kriminelle 'heilen' soll. Nach dieser Behandlung wird Alex freigelassen, kann aber sich und seinen eigenen Willen ohne Gewalt nicht mehr durchsetzen. Als Wehrloser streift er durch die Gegend und wird nun selbst zum Opfer von Gewalt, bis er schließlich in den Selbstmord getrieben wird. Jedoch überlebt Alex diesen Suizidversuch und wird im Krankenhaus erneut 'geheilt'. Die Regierung versucht nun ihre Fehler wiedergutzumachen und Alex ein angenehmes Leben zu bieten. 

Nun zeigt der Film anfangs eine Welt ohne 'Law & Order', der Mensch im 'Naturzustand'. In diesem Stadium kommt es zu hoher, sinnloser Gewalt, ganz genau so wie es Thomas Hobbes, ein englischer Philosoph aus dem 17. Jahrhundert, in seinem Werk Leviathan prophezeit hat. Doch wie Alex in die Hände der exekutiven Gewalt gelangt, wäre dies theoretisch die umgesetzte Idee des Leviathan. Alex wird 'geheilt' und ist nun ein guter Mensch, der zwar nicht unbedingt 'for the greater good' handelt aber niemandem etwas zuleide tut. Doch jetzt ist er das Opfer, denn Menschen um ihn herum sind weiterhin im Naturzustand. 

Das Störende und Besorgniserregende an diesem Szenario ist die Tatsache, dass man entweder der Schlagende oder der Geschlagene ist, einen Mittelweg gibt es nicht. Und wir brauchen keine Spieltheorie um uns zu sagen, dass man in diesem Dilemma immer besser der Schlagende als der Geschlagene ist. Damit besagt diese Geschichte, dass es praktisch unmöglich ist dem menschlichen Naturzustand, der als Chaos und Gewalt vorausgesagt wird, zu entkommen. Leviathan, der normalerweise die Lösung für das Problem ist, kann in diesem Fall auch einen Ausweg finden. Und selbst der größte Hobbesianer muss sich eingestehen, dass eine Welt voller 'geheilter' Menschen auch keine Lösung sein kann, denn soviel Wert muss persönliche Freiheit haben. 

Clockwork Orange ist die schlimmste Form einer Dystopie: eine ohne Ausweg. Selbst George Orwell's 1984 hat die Botschaft, dass man jedes totalitäre System umgehen muss um die Freiheit zu bewahren. Der weniger gelungene Film The Day After Tomorrow besagt, dass man den Klimawandel stoppen muss um die Erde zu retten. Doch Clockwork Orange malt schwarz und lässt den Zuschauer oder den Leser in dieser Vorstellung, ohne einen einzigen Lichtblick. Und so ist einer der größten Pessimisten aller Zeiten, Thomas Hobbes, doch noch geschlagen worden. 

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