Donnerstag, 8. März 2012

Die neue Generation der Couch-Aktivisten

Ich entschuldige mich gleich im Vorhinein für den Advocatus diaboli in mir, wie ihr vielleicht wisst spiele ich den recht gerne. Jedoch ist er nur dafür zuständig neue Gedankenanstöße in eine relativ einseitige Meinung zu bringen! 


In unserer heutigen Lebenssituation gilt ein einfaches Gesetz: je mehr man dafür kämpft, die Welt zu verändern, desto weniger verdient man, und je mehr man einer unwichtigeren, 'unedleren' Tätigkeit nachgeht, desto höher wird das Gehalt. Doch damit ist jetzt Schluss, denn durch allmächtiges Social Media kann man nun von zu Hause aus mit ein paar Klicks die Welt verändern. Ich bin davon nicht ausgenommen, als Blogger versucht man in Wahrheit auch nichts anderes als mit seinen Worten über das Internet neue Gedanken zu verbreiten, und ich unterzeichne auch weiterhin brav meine Petitionen. Doch es stellen sich natürlich mehrere Fragen durch diese neue Form des Aktivismus. Kann man wirklich durch einen Klick auf den 'Share' Button die Welt verändern? Und ersetzt der 'Couch-Aktivismus' die reale soziale Tätigkeit? 


Das aktuelle Beispiel dazu wäre die Kampagne KONY 2012, das hauptsächlich aus einem halbstündigen, leicht kitschigen Video besteht. Dieses Video hat sich in den letzten 48 Stunden wie eine Pandemie im Internet verbreitet und immer mehr Leute schließen sich diesem 'good cause' an. Soweit so gut, alle Menschen sollen wissen, dass Joseph Kony ein Kriegsverbrecher ist, der schon seit Jahrzehnten wütet. Aber wissen wir nicht auch über den Genozid in Syrien, wissen wir nicht vom Klimawandel und der Zerstörung unseres Heimatplaneten? Ja, wir wissen davon, doch Aktivisten werden wir dadurch auch nicht. 


Doch wozu sharen? Es ist eine Mischung aus Balsam für die Seele und Selbstdarstellung. Mit dem Klick tut man sich selbst gut, man bekommt die Befriedigung aktiv in der Welt gewesen zu sein. Ein netter Nebeneffekt dabei ist, dass alle 500 Freunde sehen können was für ein guter, gescheiter, aktiver Mensch man ist. Es ist die persönlich Stellungnahme, die eine gleichzeitig selbst inszeniert. Und motiviert wird das ganze durch den Leitgedanken, als kollektive Klicker etwas bewirken zu können. 


Ich will nicht behaupten, dass man durch Social Media nichts erreichen kann. Im Gegenteil, es ist das Medium der Zukunft und kann dadurch allerhand bewirken, indem es Massen mobilisiert und gleichzeitig informiert. Doch die Frage ist auch, worüber man informiert wird. So schnell wie sich dieses Video verbreitet hat, und so gut es gemacht ist, so schnell können sich auch andere, gut gemachte Videos verbreiten die eventuell keinem 'edlen' Leitgedanken folgen. Wie soll man dann einen guten von einem schlechten 'cause' unterscheiden, wenn Informationen nicht mehr über die Presse sondern über das Internet verbreitet werden, und das viel schneller mit höherem sozialen Druck. 


Und was wird nun aus dem Aktivismus der realen Welt? Wird dieser dem Internetaktivismus zum Opfer fallen und an Bedeutung verlieren? Werden Leute weiterhin Sozialprojekte machen, wenn sie ihre soziale Pflicht mit einem Klick abgehakt haben? Das sind alles Gedanken, die man nicht übersehen sollte. Denn wenn eine Spende oder eine Hilfsreise durch ein Video ersetzt wird, sollte uns das zum Nachdenken bringen. Es ist die neue Generation der Couch-Potatos, die plötzlich die Chance haben, politisch und sozial aktiv zu sein. Die virtuelle Welt sucht und jagt Kriegsverbrecher. Vielleicht fangen sie ihn wirklich, vielleicht auch nur virtuell.